Die Rolle von Nachhaltigkeit in der Gesellschaft
Vorstellung von Nachhaltigkeitsinitiativen und -projekten
Fragen an Ursula Tischner:
Wie würden Sie die aktuelle Rolle von Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft beschreiben?
Dieses Thema ist wichtiger denn je. Klimawandel, Ressourcenengpässe, Krieg und Konflikte um Zugang zu Land, Wasser und Rohstoffen, Energiekrise usw. – alles das sind auch Nachhaltigkeitsthemen. Letztendlich geht es darum, wie wir Menschen langfristig auf einem Planeten mit endlicher Fläche, Rohstoffen und Wasservorkommen leben können, ohne unsere Lebensgrundlage zu ruinieren und uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.
Können Sie Beispiele für Nachhaltigkeitsinitiativen und -projekte (der WBH) nennen, die einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben?
Dieses Jahr führt die WBH eine sehr schöne Nachhaltigkeitsinitiative durch, die unter dem Oberbegriff „Nachhaltigkeitstransformation“ steht. In Kooperation mit der Hochschule Kaiserslautern und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler werden Fragen und Entwicklungen rund um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation zur Nachhaltigkeit diskutiert und innovative Lösungen erarbeitet. Unter dem Titel „Transformator“ fanden bereits in den Vorjahren interaktive offene Online-Diskussionsveranstaltungen mit vielen verschiedenen Stakeholdern statt. In diesem Jahr wurden diese ergänzt durch den „Transformathon“, einem kreativen Designsprint, in dem Lösungen für vier definierte Nachhaltigkeits-Challenges entwickelt wurden. Dabei ging es z. B. um den persönlichen ökologischen Fußabdruck, Bürger-Energiegenossenschaften, Einkaufshilfe für nachhaltige Kaufentscheidungen oder um Nachhaltigkeit im beruflichen Umfeld und an Hochschulen. Die Ergebnisse dieser Challenges wurden dann mit Expert:innen wiederum in einer Online-Veranstaltung diskutiert und werden derzeit weiterentwickelt. Die besten Endergebnisse wer-den dann auf unserem Wissenschaftsforum am 16. November, das auch unter dem Thema der Nachhaltigkeitstransformation steht, „gepitcht“, also den Konferenzteilnehmer:innen vor-gestellt, und es werden die besten Lösungen prämiert. Unabhängig ob mit oder ohne Preis, werden aber sicher die vielversprechendsten Lösungen von den beteiligten Akteur:innen und ggf. weiteren Partner:innen im Anschluss implementiert. So ging dieser Prozess vom Diskutieren von Herausforderungen über kreatives Lösungen-Entwickeln zur Realisierung der besten Lösungen und damit auch zu einem positiven gesellschaftlichen Impact. Allein schon die Diskussionen und das gemeinsame Suchen nach kreativen Lösungen hat die beteiligten Multi-Stakeholder-Gruppen bereichert.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von Nachhaltigkeit in die Gesellschaft, und wie können sie überwunden werden?
Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ ist mittlerweile in so vielen Kontexten gebraucht und auch missbraucht worden, dass er inzwischen sehr schwammig ist und viele ihn „einfach nicht mehr hören“ können. Nach Pandemie, Krieg in der Ukraine und Naturkatastrophen sind die Menschen „katastrophenmüde“. Das bedeutet für uns im Bereich der Nachhaltigkeit, dass weder das Aufbauen von drohenden Katastrophenszenarien noch Schuldzuweisungen großen Sinn ergeben. Wir müssen ehrlich, authentisch, wahrhaftig und faktenbasiert über die Probleme sprechen und gleichzeitig aufzeigen, was diese mit den Einzelnen (Personen, Unternehmen etc.) zu tun haben. Und gleichzeitig müssen wir Handlungsoptionen aufzeigen, d. h. gemeinsam Strategien entwickeln, wie die großen komplexen Herausforderungen heruntergebrochen und dann als kleinere Probleme auch bearbeitet werden können.
Wie kann Bildung dazu beitragen, dass Nachhaltigkeit in der Gesellschaft besser verankert wird?
Bildung ist einer der wichtigsten Hebel zur Nachhaltigkeitstransformation. Genau das vorhin Beschriebene machen wir in unseren Nachhaltigkeitsstudiengängen an der WBH. Im Bachelor-Studiengang „Nachhaltiges Design“ etwa geht es nicht nur darum, einem Ding eine optimale Form zu geben, sondern wir setzen viel früher im Prozess an. Wir analysieren Probleme oder Situationen und fragen uns: Welcher Bedarf muss befriedigt werden? Dann untersuchen wir, ob es auch immaterielle Lösungen gibt, wie soziale Innovationen oder Dienstleistungen, statt Produkte zu verkaufen. Und wenn wir tatsächlich Produkte brauchen, versuchen wir, sie so zu gestalten, dass sie nachhaltiger sind, indem z. B. Materialverbrauch, Energieaufwand, negative Umweltauswirkungen verringert werden, oder indem die Langlebigkeit und Nützlichkeit erhöht und am Ende des Lebens eine Kreislaufstrategie gestaltet wird. Selbstverständlich müssen solche nachhaltigen Lösungen dann auch noch attraktiv für die jeweiligen Zielgruppen gestaltet werden, damit sie am Ende auf dem Markt erfolgreich sind.
Welche Möglichkeiten gibt es, um Menschen dazu zu ermutigen, nachhaltige Entscheidungen in ihrem täglichen Leben zu treffen?
Grundvoraussetzung ist, dass die nachhaltigen Geschichten gut erzählt werden (Storytelling), also dass Nachhaltigkeitsansätze wahrhaftig, gut und glaubwürdig kommuniziert werden. Die Motivation von Menschen zur Verhaltensänderung ist in der Regel höher, wenn sie persönliche Vorteile oder ein gutes Gefühl dabei haben, etwas für sich und andere oder die Welt insgesamt zu tun. Es geht also auch darum, die Nachhaltigkeitsoptionen und die erwünschten Verhaltensweisen mit persönlichem Vorteil zu kombinieren. Oft sind die Fragen, die sich bei nachhaltigkeitsrelevanten Entscheidungen stellen, sehr komplex und nicht leicht zu beantworten. Hier kommt wieder die Nachhaltigkeitsbildung ins Spiel, die über Zusammenhänge aufklärt und hilfreiche Leitfäden und Tools sowie glaubwürdige und transparente Informationen liefert – und Daten können unterstützen. Zwei Projekte unseres „Transformathons“ haben sich diesen Themen gewidmet.
Wer die Lösungen sehen möchte, sollte an unserem WIFO 23 teilnehmen: https://www.wb-fernstudium.de/ueber-die-wbh/forschung-transfer/wbh-wissenschaftsforum.html